![Sie wohnen in Wien, Sie sind kein Hassposter, Sie schreiben gern? Bewerben Sie sich bei HEUTE! (Foto: Inserat vom 17. Juli 2014, Archiv Oswald 1090)]()
Sie wohnen in Wien, Sie sind kein Hassposter, Sie schreiben gern? Bewerben Sie sich bei HEUTE! (Foto: Inserat vom 17. Juli 2014, Archiv Oswald 1090)
(Wien, im Juli 2014) Gehören Sie zu den 99 Prozent der Menschen, die sich für 1 Prozent der Dinge in ihrer Umgebung interessieren? Sind Sie die Sorte Mensch, die damit zufrieden ist, wenn sie weiß, was die Ehefrau, der Ehemann, die Tante, der Onkel, der Opa, die Oma, die Nichte und der Neffe machen und die darauf hofft, dass es allen gut geht und Sie selbst bald in Pension gehen können, damit Sie im Gartenhaus sitzen und dem Gras beim Wachsen zusehen können?
Mister 99 % gesucht
Oder gehören Sie zu den 1 Prozent der Menschen, die sich für 99 Prozent des Geschehens in ihrer Umgebung interessieren, die auf Privatleben verzichten und in der öffentlichen Aufgabe des Erklärens der Welt, und was diese im Innersten zusammenhält, aufgehen? Wenn dieses zutrifft, sind Sie der geborene Journalist.
Sie haben zudem das, was der Archivleiter des ORF, Peter Dusek, als Grundlage für den Beruf definierte: Ein “emotionaler Rationalist” sein, der Verstand und lebenbejahende Animo miteinander verbinden kann? Umso besser!
Nun besteht die Möglichkeit, dass Sie sich bei der Tageszeitung “HEUTE” bewerben. Diese Zeitung hat nach sieben Jahren Bestand mittlerweile quer durch alle gesellschaftlichen Klassen viele Leser und ein großes Vertriebsnetz.
Zum Ausbau des Wiener Bereiches sucht die Blattmacherin Eva Dichand, entgegen dem Trend im Mediensektor, dass beim “Standard” (fünfzehn), in der “APA” (zwanzig), bei “Wirtschaftsblatt” (eine Handvoll) und “Presse” (einige) Redakteure gekündigt wurden, nun einen männlichen oder weiblichen Redakteur.
Wien ist das Thema
Um bei “HEUTE” in der Wiener Redaktion bestehen zu können, müssen Sie sich für Vieles interessieren, denn sie arbeiten nicht am Land, wo die Story des Tages ist, dass der Nachbarhund zu laut bellt und den heiligen Schlaf eines anderen Nachbarn stört. In Wien geht es um andere Würste. Hier ist Hauptstadt und das Jahreshaushaltsbudget, das von den politischen Kräften jährlich zur Verteilung gebracht wird, beträgt 12 Milliarden Euro. Allein das Gesundheits- und Sozialwesen verschlingt pro Jahr knapp 3,8 Milliarden Euro. Zu diesen Themen, dem Geld grundsätzlich, dem Straßenbau, dem (teuren) Spitalswesen (allein das AKH kostet pro Jahr 1,1 Milliarden Euro), dem Sozialwesen (240 Millionen Euro Budget), dem Pflegewesen, dem Wohnbauwesen, dem Schulwesen und vieles mehr gibt es allein aus der Tatsache, dass 12 Milliarden eine Stange Geld sind, die nicht ohne mediale Kontrolle verteilt werden dürfen, viel zu berichten.
Wenn Sie einer dieser 1-Prozent-Menschen sind, die sich für mehr als Ihr kümmerliches Privatleben interessieren, sondern für ihr gesellschaftliches Umfeld, dann sind Sie sicher bei der “HEUTE” gut aufgehoben.
15 x 2.500 Euro = 37.500 Euro
Schreiben können Sie dort jedoch nicht viel, der Platz ist eng. Es bleibt bei Zigarettenschachtelgröße. Doch die Leute lesen auch nicht viel. Sie wollen knapp informiert werden. 2.500 Euro Gage ist nicht viel, allerdings werden Journalisten 15 Mal im Jahr bezahlt und es ist das Einsteigergehalt. Ein Joachim Riedl hat auch einmal klein angefangen, heute steht er bei 7.000 Euro. (Allerdings nicht bei der “HEUTE”, sondern bei der “ZEIT”).
![Bei einem Publizistikpreis können Sie sich mit Beiträgen in der HEUTE leider nicht bewerben. (Foto: Bucharchiv Oswald)]()
Bei einem Publizistikpreis können Sie sich mit Beiträgen in der HEUTE leider nicht bewerben. (Foto: Bucharchiv Oswald)
![Das Thema Überschriften müssen Sie bei der HEUTE intus haben. Das Buch von Wolf Schneider hilft. Es sei denn, sie sind ein Naturtalent und schütteln die guten Überschriften aus dem Handgelenk. Wer ungelerntes Naturtalent ist, ist im Journalismus ein Glückskind. Der Rest muss sich sein Können jahrelang hart erarbeiten. (Foto: Bucharchiv Oswald)]()
Das Thema Überschriften müssen Sie bei der HEUTE intus haben. Das Buch von Wolf Schneider hilft. Es sei denn, sie sind ein Naturtalent und schütteln die guten Überschriften aus dem Handgelenk. Wer ungelerntes Naturtalent ist, ist im Journalismus ein Glückskind. Der Rest muss sich sein Können jahrelang hart erarbeiten. (Foto: Bucharchiv Oswald)
Boulevardzeitung nicht Schlecht Reden
Zum Thema Boulevardzeitungen ein paar aufmunternde Worte. Man sollte sie nicht nur Schlecht reden.
Der Autor dieser Zeilen hat sich immer für Boulevardzeitungen ausgesprochen und deswegen mit vielen Leuten zerstritten. Es begann auf der Uni in den 1990-er-Jahren (Publizistik Wien), wo man in Seminaren zu gedruckten Massenmedien ein ganzes Semester lang nur abschätzig über die “Kronen Zeitung” oder die “Bild Zeitung” gesprochen und Dämonen an die Wand geworfen hat. Dass diese Blätter damals schon kommerzielle Erfolge und Arbeitsplatzgarantien waren, spielte in den Augen der Universitätslehrer keine Rolle.
Als der Autor dieser Zeilen einmal in einem solchen Seminar gegen das dauernde Hochstilisieren von „Presse“ und „Standard“ ansprach und hinterfragte, warum man in den Seminaren nur Zeitungsmacher der sogenannten “Qualitätsmedien”, aber nie welche von den Boulevardmedien zum Dialog einlädt, wurde er beinah von der Uni geworfen. Redet man mit Wissenschaftern, ist nur von der „Qualitätspresse“ die Rede, und wenn man dann einmal im Gespräch die „BILD“-Zeitung oder die “SUN” lobt, bricht der Kontakt mit diesen Leuten komplett ab.
Das Wort Massenmedien enthält bezeichnenderweise das Wort „Masse“ und das impliziert, dass es um kleinste gemeinsame Nenner innerhalb einer sozialen Entität, genannt Bevölkerung, geht, die viele Leute erreichen sollen. Dazu muss man auch auf Bedürfnisse reagieren. Boulevardmedien tun das.
![Wer bei der HEUTE arbeitet, braucht ein gutes Zahlengedächtnis. (Foto: Cover HEUTE, 12. Jänner 2009)]()
Wer bei der HEUTE arbeitet, braucht ein gutes Zahlengedächtnis. (Foto: Cover HEUTE, 12. Jänner 2009)
Die intelligentesten Menschen, Ärzte, Lehrer, Doktoren, akademische Beamte beginnen in der Regel die „Kronen Zeitung“ von Hinten zu lesen: Beim 15-seitigen „Sport“. Der verstorbene Herausgeber Dichand Senior hat immer Kritik geübt, dass in seinem Blatt so viel Sport steht, aber er hat sich der Mehrheit der Leser und Abonnenten gefügt, die das lieben. Wirft man den Blick nach London, stellt man fest, dass auch die Londoner “Times” täglich bis zu zwanzig (!) Seiten “Sport” hat. Die Abteilung “Sport” ist eine große Einheit einer Boulevardzeitung, weil man über das parteifreie, ideologiefreie Thema Sport sehr leicht ins Gespräch kommt.
Boulevardzeitungen bedienen eingeübte Rituale des täglichen Lebens. Sie müssen haben: Ein Horoskop. Das deshalb, weil viele Menschen wissen wollen, wie heute „die Sterne stehen“. Stehen sie gut, ist es gut. Es sind kleine Bedürfnisse des Alltags. Doch wenn sie den sozialen Frieden sichern, soll es Recht sein.
![Bei der HEUTE darf man mit Zahlen nicht durcheinander kommen, vor allem, wenn sie hoch sind. (Foto: Cover HEUTE, 4. April 2009)]()
Bei der HEUTE darf man mit Zahlen nicht durcheinander kommen, vor allem, wenn sie hoch sind. (Foto: Cover HEUTE, 4. April 2009)
Ferner interessiert die Leute Klatsch und Tratsch der Promis. Die „Österreich“ bedient das sehr ausführlich, die „Krone“ knapp auf einer Seite, die „Heute“ auf zwei oder mehreren Seiten. Es sind Geschichten über Leute, die man (aus Fernsehen oder Shows) kennt, die einen selbst aber nicht kennen. Mit Klatschgeschichten wird der Voyeurismus des Menschen auf natürliche Weise unidirektional bedient: Man kann in die Schlaf- und Wohnzimmer, Kleiderkästen oder Seelenleben der Promis hineinschauen, ohne dass diese zurückschauen können. Der Autor dieser Zeilen liebt Klatschgeschichten zu Promis und er liest sie nicht nur gern, sondern sammmelt sie sogar!
![Zahlen, auch in Prozenten ausgedrückt, spielen bei der HEUTE eine große Rolle. (Foto: Cover HEUTE, 16. April 2009)]()
Zahlen, auch in Prozenten ausgedrückt, spielen bei der HEUTE eine große Rolle. (Foto: Cover HEUTE, 16. April 2009)
In eine gute Boulvardzeitung gehört, ob es gefällt oder nicht, viel „Blut und Blech“, das sind Geschichten zu Kriminalität und Unfällen. Das Blut muss in der Boulevardzeitung spritzen. Kriminalgeschichten entsetzen den Menschen, insgeheim erregen sie ihn, manchmal regen sich Leser furchtbar auf und beziehen Stellung. Gute Boulevardmacher wissen, dass man mit Schauder und Sensation trefflich spielen kann und dass es die tägliche Dosis braucht, weil das Leben zu kurz ist, um alles auszulassen.
Die Unfälle sind Tragödien des Alltags und gehören in jedes Boulevardblatt. Eine erfahrene Boulevardzeitung wie die „Kronen Zeitung“ pflegt bei diesen Themen Mitgefühl in Form respektvoller Nachrufe mit Passbild der Verunglückten. Das ist teilweise sehr subtil und leise geschrieben, da es nun einmal unbegreiflich ist, wenn ein 20-Jähriger um 18 Uhr an einem Freitag abends außer Haus geht und um 4 Uhr morgens mit dem Auto an einem Baum pickt. Mit diesen Nachruf-Berichten, die eigentlich nur für die betroffenen Angehörigen bestimmt sind, wird gemeinsame Trauerarbeit geleistet und das verbindet die Leserfamilie. Die freiwilligen Helfer werden gelobt, das Ehrenamt gestärkt, die Rettungskette, kurz, die Solidarität untereinander bei allem sonstigen Nebeneinander, im Notfall öffentlich beglaubigt.
![Im Zweifelsfall sind Boulevardblätter für die Katholische Kirche. Die Erklärung liegt auf der Hand: Es geht um mehrheitsfähige Standards, die die Grundlage für ein Massenblatt sind. Ein Standard ist, dass mehr als 90 Prozent der Österreicher römisch-katholisch sind. Auch das muss man akzeptieren, wenn man in einem Boulevardblatt arbeitet: Ein wenig spiritistisch angehaucht und anti-aufklärerisch veranlagt muss man gestrickt sein. Die ganz große Revolte gegen die Kirche ist in der HEUTE (detto KRONE) nicht möglich, da die Kirche zum Beispiel nach wie vor der größte Immobilienbesitzer Österreichs ist und auch sonst die Leute an und in der Hand hat. (Foto: Cover HEUTE, 17. Juli 2009)]()
Im Zweifelsfall sind Boulevardblätter für die Katholische Kirche. Die Erklärung liegt auf der Hand: Es geht um mehrheitsfähige Standards, die die Grundlage für ein Massenblatt sind. Ein Standard ist, dass mehr als 90 Prozent der Österreicher römisch-katholisch sind. Auch das muss man akzeptieren, wenn man in einem Boulevardblatt arbeitet: Ein wenig spiritistisch angehaucht und anti-aufklärerisch veranlagt muss man gestrickt sein. Die ganz große Revolte gegen die Kirche ist in der HEUTE (detto KRONE) nicht möglich, da die Kirche zum Beispiel nach wie vor der größte Immobilienbesitzer Österreichs ist und auch sonst die Leute an und in der Hand hat. (Foto: Cover HEUTE, 17. Juli 2009)
Ein Sektor wird von Boulevardblättern (zurecht) wenig gepflegt: Wirtschaft. Leser wissen, dass sie wenig Geld in der Tasche haben, dazu brauchen sie keine Zeitung in der Hand. Das latent aktuelle, aber nie brisante Thema Religion wird kunstvoll umschifft und ausgeklammert, da es nicht einfach in Pro- und Contra-Positionen darstellbar ist. Man nimmt die Dulder-Position ein. Hingegen ist ein bisschen Internationale Promi-Politik aus dem Ausland in jeder Boulevardzeitung enthalten: Leadership-Stars wie Obama, Putin, Merkel oder der Cavaliere kommen vor, aber auch die Negativstars mit Diktatorship wie Kim II, Gaddafi und Söhne, Assat und andere. Gut und Böse nach einfachem Muster wird bedient. Da Zwischenthemen komplex (Türkei/Kurden, Israel/Palestina, China/Tibet, Indien/Pakistan), lässt man Solches am Besten aus.
![Auch Madoff (150 Jahre Haft) schaffte es auf die Wiener Titelseite. Hauptaufreger an diesem Tag war aber der Exekutor im Parlament. (Foto: Cover HEUTE, 30. Juni 2009)]()
Auch Madoff (150 Jahre Haft) schaffte es auf die Wiener Titelseite. Hauptaufreger an diesem Tag war aber der Exekutor im Parlament. (Foto: Cover HEUTE, 30. Juni 2009)
Die österreichische Innenpolitik ist so großartig nicht. Daher beschränkt sich jede Boulevardzeitung auf eine Hammer-Schlagzeile pro Tag mit den üblichen Bluthochdruck-Themen wie Sicherheit, Kriminalität, Heer, Asyl, Wetter oder Stau. Wie man die gute Schlagzeile macht, hat man entweder im Blut oder man liest Bücher, bis man es kann.
Boulevardzeitungen können etwas, vor allem haben sie: Leser, Frequenz, Zugriffe, Antizipation. Die „Heute“, die nun jemanden aus Wien sucht, hat seit November 2013 die tägliche 1.000.000 Leser-Marke durchbrochen (laut Rechenschlüssel der Media-Analyse). Das ist ein gehöriges Pfund, das man einsetzen kann, um etwas hochzujubeln oder niederzuschreiben.
Investitionen im Webbereich
Auch sonst brummt das Geschäft mit den Inseraten: Eigen-Berechnungen zu Folge macht die Zeitung pro Monat eine Million Euro Umsatz mit Inseraten. Kapital investiert die Macherin Eva Dichand hauptsächlich in Internet, sie führte das im Jahr 2013 in mehreren Fachzeitschriften in langen Interviews aus, warum (in den Zeitschriften „Bestseller“, „Extradienst“, „Der Österreichischen Journalist“; die Interviews liegen im Archiv und wurden nun nicht extra noch einmal gelesen).
Zum Beispiel kaufte man um rund zehn Millionen Euro die Plattform netdoktor.at, die fachkundige Gesundheitstipps gibt.
Alles in Allem: Viel Glück bei Ihrer Bewerbung!
Marcus J. Oswald (Ressort: Medien)
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