(Wien, im September 2011) Buchfreunde gehören zur aussterbenden Gattung. Die Frage, welche drei Bücher man – im Ernstfall oder verschollen – auf eine Insel mitnehmen wollte, erübrigt sich. Heute wären die sinnlosesten Dinge, die man auf einer Insel ohne Stromanschluss brauchen kann: Ein I-Phone, ein I-Pad, ein I-Pod. Es sei denn, man baut auf der Insel schnell ein Wasserturbinenkraftwerk für den Strom, den die wackeren Akkus alle drei Tage brauchen. Auf einer Robinson-Insel erlebt das Buch vielleicht eine Wiederauferstehung aus der Holzkiste. Der Nachteil: Nur selten kommt man auf eine einsame Insel. Die Inseln der Großstadt haben 20 Steckdosen für durchschnittlich 20 Elektrogeräte im Haushalt. Das macht das Buch muffig und abgestanden. Im Erscheinungsbild und Ranking in der Bedeutung der Alltagsgegenstände fällt es immer weiter zurück.
Trotzdem gibt es in Wien bald drei Buch-Märkte, die Bücher wieder in den Kreislauf zu neuen Besitzern bringen. In der Reihe der Zeitachse:
Die Bücherbörse gibt es schon seit mehr als zwanzig Jahren. Vor zwei Jahren hörte der Gründer auf und gab die Veranstaltung ab. Neuer Veranstalter ist nun “Moses Records” in der Lerchenfelderstraße 33. “Moses Records” gibt es auch schon seit 28 Jahren. Man verkauft Platten und CDs in einer Straße, in der die Geschäfte kommen und gehen. In Wien gibt es nicht mehr viele Plattengeschäfte, die gebrauchte Schallplatten verkaufen: Eines in der Neustiftgasse (“Sing Sing” des Robert Reinisch) im 7. Wiener Bezirk, eines in der Otto Bauer Gasse (“Disc Point”). Vieles läuft heute über Ebay, wo man zerkratzte Tonträger bedenkenlos auch bekommt.
Bei “Moses Records” pflegt man seine Platten als wären es die eigenen, reinigt sie regelmäßig mit Politur. Das Angebot läuft für Vinyl-Scheiben von 2 bis 35 Euro pro Tonträger, manche wurden auch schon um 200 Euro gesehen! Mit Büchern ist man nicht so vertraut, aber als im Jahr 2010 die Möglichkeit bestand, dass man die Lizenz für die “Bücherbörse” übernehmen könnte, griff man zu. 2010 richtete das erste Mal “Moses Records” die “Bücherbörse” aus. Heuer geschieht es das zweite Mal. Mit Börsen hat man Erfahrung: Vier Mal im Jahr gibt es in Wien, nahe Gasometer in der Modecenterstraße, die “Vinyl-Börse”, die von “Moses Records” veranstaltet wird. Das System ist wie bei der “Bücherbörse”: Man kann Ware bringen und zum Ankauf anbieten oder Ware kaufen.
Eintritt bei der Bücherbörse am 25. September 2011 ist drei Euro. Ort ist die als Veranstaltungsort bewährte Berufsschule Längenfeldgasse im 12. Hieb. Öffnungszeit: 10 bis 16 Uhr.

Am 1. Oktober 2011 werden in der Wiener Zentralbücherei Bücher zu 1 Euro verkauft. Über die Methode, die hinter der Auslistung gewisser Titel steht, schwillt seit Jahren ein Streit zwischen Interessenverbänden der Autoren und den Büchereien. (Foto: Oswald)
Auch in den Wiener Büchereien nagt der Bücherwurm. Die schönste aller österreichischen Bibliotheken steht vielleicht in Bregenz, die neueste in Linz (“Wissensturm”), die wertvollste in Admont, die attraktivste in Melk, aber die basisdemokratischeste steht in Wien am Urban Loritz Platz. Diese Wiener Zentralbibliothek der Leihbibliotheken ist das Zentrum des Volkswissens: Man kann für 22 Euro Einschreibgebühr so gut wie alles kannibalisieren, was gut und teuer ist: Zwei Wochen lang kann man bis zu 25 Medien parallel ausleihen. Bücher sind gratis in der Entlehnzeit, Musik-CDs sind gratis. Videos, DVDs, Blue Rays kosten (für zwei Wochen) 1,50 Euro. Internetnutzung ist gratis. Das Wissensbabel ist groß, die Speicher voll.
Kritik an Auslistung von Autoren
Daher zog man sich die Kritik der Lobby-Organisation “IG Autoren” auf sich, da bekannt wurde, dass nicht alles Platz im Speicher hat und manchmal raus muss. Die IG Autoren unter Gerhard Ruiss vermutete, dass man österreichische Autoren, die “nicht gehen” gewaltsam vor die Tür setzt. Zu deutsch: Bücher, die über einen längeren Zeitraum nicht ausgeliehen und damit nachgefragt werden, werden “aussortiert”. Bei den Wiener Büchereien bestreitet man solche Vorgänge natürlich. Gleichzeitig bestätigt man, dass es Listen gibt, die die Entlehnhäufigkeit markieren. “Die Wiener Büchereien sind ein Unternehmen, das darauf schauen muss, dass etwas hereinkommt”, sagt ein Mitarbeiter, der nicht näher genannt werden will. Er bestätigt, dass in gewisser Weise Marktkriterien gelten. Wenn ein Buch – Hausnummer – drei Jahre nicht entliehen wird, was aus Listen hervorgeht, geschieht, dass es im Bestand von 20 Exemplaren in der Zentralbücherei und den Außenstellen auf zwei Bestandsexemplare zurückgenommen wird. Eine komplette Auslistung, etwa der österreichischen Literaten, wird dementiert. Man kann der Leitung der Wiener Büchereien und ihrem dokumentarischen und auch volksbildnerischen Hausverstand zumuten, dass Komplettauslistungen von wenig nachgefragten Autoren nicht erfolgt.
Bestpreis
Am 1. Oktober 2011 gibt es daher den großen Flohmarkt. Er findet von 17-21 Uhr statt. Verkauft werden im dritten Stock Bücher, aber auch CDs und DVDs. Eintritt ist frei. Die Preise bei den Büchern sind ein Euro. Es wird keineswegs nur Altes hinausgeworfen. Im Vorjahr konnte man ein Buch von Wolf Haas erstehen. Neupreis im Geschäft: 20 Euro. Neupreis am Büchereien-Flohmarkt: 1 Euro. Verkauft wird trotzdem nicht das gesamte Lager: Am Ende eines Flohmarktes in den Wiener Büchereien gehen gut 50 Kisten voller Bücher wieder in den Speicher zurück. Weil die Bücher entweder sehr abgegriffen sind oder das Thema heute nicht mehr zieht. Der Buchwurm nagt dann ein weiteres Jahr im Keller der Bibliothek.
Vor zwei Jahren gab es eine Kuriosität: Hier kam pünktlich zu Beginn des Flohmarktes ein Mann auf einen Mitarbeiter zu, was zur Schließung des Flohmarktes führte. Der Mann kaufte “in Pausch und Bogen” das gesamte Angebot. Grund: In Niederösterreich war eine neue Schule gebaut worden. Der Mann plante das Haus. Es gab auch eine Bibliothek. Was noch fehlte, waren die Bücher. Sämtliche Bücher des Wiener Büchereien-Flohmarktes vor zwei Jahren wanderten in diese Schule. Der Kaufpreis war sowohl für die Wiener Bücherei wie für den Mann ein gutes Geschäft.

Die Buch Wien 2011 findet unter der neuen Programmdirektion Günter Kaindlsdorfer im Messegelände Wien statt. (Foto: Logo Messe)
Von 7. bis 13. November 2011 findet dann die “Buchmesse Wien”, kurz Buch Wien statt. Sie erhielt vor Kurzem mit Günter Kaindlsdorfer aus Wels einen neuen Programmdirektor. Er soll die Buchmesse, die an Besucherdesinteresse leidet, neuen Aufschwung verleihen. Zuletzt kamen nur 28.000 Besucher zur Buchschau, die bisher im Wiener Rathaus stattfand und nun ins moderne Gelände der Messe Wien übersiedelt ist.
Marcus J. Osald (Ressort: Allgemeines, Bildung, Flohmarkt, Termindienst)
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