
Das Cover ist 3 D. Drei übereinander gelagerte Bilder ergeben einen Nah-Fern-Effekt. (Quelle: Brandneuer Buchumschlag Georg Biron)
(Wien, im Februar 2014) An dieser Stelle muss ein kurzer Hinweis erfolgen. Es geht um eine Buchpräsensation. Ja, die Bücher. Keiner liest mehr und es interessiert auch keinen wirklich. Aber, es geschieht. Leute schreiben sich Bücher von der Seele. Dicke Wälzer in den USA, dünnere in deutschsprachigen Ländern, entlarvende in England (wegen des Medienrechts), geistreiche in Frankreich, pfiffige in Italien. Ob in Spanien, Portugal, Holland und Belgien Bücher noch eine Rolle spielen, entzieht sich der Kenntnis (man kann nicht alles wissen). Ob in osteuropäischen Ländern, speziell in südosteuropäischen Armenhäusern Bücher gelesen werden, bleibt abzuwarten, wenn wir diese Länder in der EU begrüßen dürfen.
In der Türkei spielt das gedruckte und publizierte Wort eine Rolle. Der Regierungschef ließ zur Festigung seiner weitsichtigen Politik soeben ein paar Provinzdemonstranten verhaften, die ihn auf Facebook – frei zitiert – einen Knecht des Kapitals schimpften. Ein Demonstrant soll zwei Jahre Haft dafür geschnupft haben. Der Herr Erdogan, der mit seinem Großreich in die EU will, prüft derzeit ein Gesetz, das das schlichte Gegenteil der hiesigen Vorratsdatenspeicherung ist, die Daten sechs Monate sichert: Er will Webseiten mit staatskritischem Ton gleich löschen.
Freiheit und Verantwortung
Das führt nun alles weit vom eigentlichen Thema einer kleinen Veranstaltungsnotiz weg. Es geht bei dem Thema, ob Lesen und Schreiben bildet, seine Grundkenntnis sozial hilft und das Erzeugen freier Gedanken, lauter Kritik, leiser Polemik, Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (nun ist der Blocksatz untergebracht!) im Lebensraum Staat erlaubt sind oder nicht, um die Grundfrage, wie frei man zueinander ist. Die Macht des Wortes ist heutzutage zwar inflationär verwässert, weil hunderttausende ihren Senf zu Allem dazu geben. Dennoch ist es noch immer so, dass sich unter jenen, die sich mit Denken und Schreiben, Verbreiten und Veröffentlichen beschäftigen, eine Spitze herausbildet und an der Spitze hält.
Man kann es vereinfachen: Wohl wird inflationär auf Sozialen Netzwerken täglich unsagbarer Blödsinn in Umlauf gebracht, aber es gibt eine Spitze unter Schreibenden, die den Blödsinn satirisch auf die Messerspitze treiben und damit Lesenswertes schaffen.
Georg Biron ist, was Reinhard Tramontana selig in besten Zeiten, Mitte der 80-er Jahre einmal war. Beide waren nicht für ihre Sachlichkeit und Recherche bekannt. Im Gegenteil. Fakten braucht man dann nicht, wenn sie Sprachkunst im Weg sind. Beide hatten eine Nähe zum literarischen Kabarett. Tramontana schrieb seine Kolumne “Seid im Bild” im “Profil” wie es Karl Kraus, Alfred Polgar und Werner Schneyder gemeinsam nicht besser gekonnt hätten. Er war ein Ausnahmetalent. Zeitkritik, Verhaltensanalyse, Mentalitätsstudien und Belehrung kamen im scharfen Einsatz zur Sprache. Tramontana komponierte Sätze, die stabil waren. Hätte man einen Beistrich weggenommen, würde der Sinn ein anderer. Tramontana hatte aber ein Problem: Er trank zu viel.
Biron trinkt nicht. Er schreibt in seinen Kolumnen in der Fachzeitschrift “Media Biz” oder früher im “Wiener” süffige Satiren. Er nimmt die deutsche Sprache zur Abschussrampe für satirische Kritik. Fakten interessieren ihn weniger, weil sie variablem Sprachgebrauch im Weg stehen. “Ironie ist die Maske der Weisheit”, sagte Friedrich Dürrenmatt. Nachteil solcher Methodik ist, dass man manchmal oberflächlich scherzt. Biron macht gern mit, wenn es eine Hetz ist.
Twitter und Facebook
So beteiligte er sich kürzlich an der grassierenden Twitter-Seuche. Twitter ist das Medium der Sitzpinkler, die auf der Toilette mit uringetränkten Händen zum Handy greifen. Eine Minute wird herumgetippst und Beliebiges weitergeleitet. Dann fährt die Scheiße in den Kanal. Ob Biron Sitz- oder Stehpinkler ist, entzieht sich Urologenkenntnis. Er macht in den “Netzwerken” mit, und leitete ein Bild auf Facebook weiter. Es ging um einen Schispringer.
Das Bild bekam er von einem anderen, der auch einen Presseausweis vom Innenministerium jährlich abgestempelt bekommt: Eberhard Forcher. Der wärmte den Unfug auf, fand ihn gut, Biron noch besser. Er pinnte es sofort auf seine Facebook-Seite.

Wenn Leute Druck auf der Blase haben und am WC sitzen, entsteht im Internet sogenannte virale Kommunikation. (Foto: Facebook, 16. Februar 2014)
Das einzige, was Georg Biron in Geberlaune zur Bemerkung Forchers – “Den habe ich offenbar wohl versäumt” – einfällt, ist die launige Bemerkung: “Wie bitte???” Das wars. Irgendwie ist das schwach.
Wie das ganze Facebook und diese nachbarschaftshilferufenden Eingemeindungsversuche unter Leuten, die das ganze Jahr nichts miteinander reden oder zu tun haben wollen, und ständig Neuigkeiten über den Gartenzaun in den benachbarten Wald brüllen und sich wundern, dass nur das eigene Echo zurück kommt.
Wenn jemand viel spricht, eitel die Nase hochhält, sagt man, er sei “verliebt in den Klang der eigenen Stimme”. Bei Facebook ist es tatsächlich so, dass manche selbstverliebt sind. Man kann doch nicht ernstlich erwarten, dass eine Riesenkommunikation entsteht, wenn man zu einem viral verbreiteten Fakebild eines tüchtigen Sportlers nur ein “Wie bitte???” zu sagen hat.
Jedenfalls: Man ist freundlicher Mensch, hat Erbarmen mit Kommunikationssüchtigen. Wer mit Fakebildchen Ansprache sucht, ist einsam. Daher schrieb der Herausgeber von Wien EXTRA ein paar Zeilen auf die Bildnisverfremdung, die eine glatte “üble Nachrede” ist.

Auf Facebook wird viel Mist verbreitet. Man bräuchte zehn Hände, um die ärgsten Scharten auszuwetzen. (Foto: Facebook, 17. Februar 2014)
Man schrieb, im amikalen “Du”, obwohl man sich nicht persönlich kennt, nur liest:
“Lieber Satiriker, nein, Du hast niemanden verpasst, falls Du soviel Zeit hast, um Skispringen im Fernsehen zu sehen.
Der Mann im Bild ist der deutsche Skispringer Andreas Wank und die Geschichte hinter der Namensgeschichte soll ein waliser Spaßvogel sein, der Bildbearbeitung zum besseren Ausdruck seiner Ideen braucht. Er nennt sich selbst, wahrscheinlich auch nicht sein richtiger Name, Jimbo Loony, und er machte das, was “wanking” im Englischen heißt: geistige Onanie. Weil Wank “Wank” heißt, wurde daraus superlustig “Spunkfuckshitpiss”.
Im Web verbreitet sich das, wie man neudeutsch sagt, “viral”, “schwärmerisch”, mit der vielgelobten “Schwarmintelligenz”. Nachfrage, wieso und weshalb ein Bild verfremdet wird, erachtet niemand als zweckmäßig. Das sind so die neumedialen Schmähs (und Schmähungen).
Die Tradition der Verfremdung gibt es in angloamerikanischen Staaten zum Hühnerfüttern. Wenn das in Österreich jemand sähe, was es etwa auf dieser Webseite gibt – nun besser nicht. http://cfake.com/celebrities/13/14 –
Mein Bild unten ist harmloser. Es stammt von der BBC via Huffington Post. Der Vergleich zum von Dir geteilten Fakebild macht sicher. Ich hab nix gegen Späße. Aber bei Namensspielen bin ich aus historischen Gründen etwas sensibel. Das war die Domain einer gewissen Brut. Man sollte das nicht unterstützen. Verzeih mir meinen moralischen Adrenalinstoß. Freu mich schon auf die Lesung in der Thalia, beste Grüße MJO”

Der höchst erfolgreiche deutsche Skisportler Andreas Wank wurde von einem englischen Verleumder via Twitter mit einem Pornonamen bedacht und öffentlich bloßgestellt. Alle lachen darüber. Aber einmal anders gedacht: Wenn über Eberhard Forcher oder Georg M. Biron jemand solche Bilder generiert. Lachen wir dann immer noch? Das Scheunentor für medialen Stallmist ist derzeit sehr weit aufgerissen. Die Moral liegt im Dreck. (Originalfoto: BBC via Huffington Post)
Es ist schade, dass Georg Biron zu diesem Fakebild nicht mehr Sinnvolles eingefallen ist. Wahrscheinlich war er zu sehr mit dem Erzeugnis seines neuen Buches beschäftigt. Er fiebert seiner Lesung entgegen.
Man freut sich mit ihm. Denn: Man ist froh, dass man in einer offenen Demokratie lebt. Und zugleich traurig, dass es einige gibt, die den Wert einer offenen Demokratie nicht richtig einschätzen.
Selbstorganisation
Ihr Wert definiert sich im selbstorganisierten Achten von Grenzen. In der Türkei oder in Saudi Arabien gibt es für Mediendelikte Lagerhaft oder gleich die Gnackkugel. In Österreich nicht, und trotzdem oder deswegen dehnen einige die Grenzen zu weit aus.
Grundsatz beim Medienmachen ist, dass man bei anderen unterlässt, was man selbst nicht schätzen würde. Das ist der alte Leitsatz von Immanuel Kant (Kategorischer Imperativ – “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.”) Der Leitsatz ist natürlich komplex und vielfach zerredet. Er ist aber interessant.
Man würde sich wünschen, dass zu allen, die das “Andreas Wank-Foto” verbreitet und “redirected” haben, deren Original-Foto mit pornografischer Namensverfremdung auftaucht und ebenso “viral” verbreitet wird. In der Psychologie nennt man das die “Konfrontationsmethode”. Bei einigen würde das einen Nachdenkprozess einleiten.
Das Buch des Georg M. Biron, das am 26. Februar 2014 in Wien vorgestellt wird, heißt übrigens: “Hai-Society”. Es erschien in einem Verlag, Echomedia, dessen Verlagschef soeben die Frau Uschi Fellner geheiratet hat und den, den Verlag, die SPÖ dieser Tage verkauft, verkauft hat oder verkaufen wird. Gesichert ist nur ganz ersteres.
Marcus J. Oswald (Ressort: Kultur, Medienschau)
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